Seit einiger Zeit wird viel über die Energieeffizienz von Gebäuden geredet. Dabei bezieht sich die Diskussion meist nur auf eine Phase im Leben eines Gebäudes, nämlich die, in der es bewohnt oder anderweitig genutzt wird. Der Lebenszyklus umfasst daneben aber zunächst auch noch den Bau (die Herstellung und Errichtung) des Gebäudes. Gerade in dieser Phase, die bisher wenig unter die Lupe genommen wird, wenn es um Energiebilanzen geht, werden für jedes einzelne Gebäude viele Tonnen Material aufbereitet und bewegt. Dabei werden große Mengen an Grauer Energie verbraucht und die begrenzten globalen Rohstoffvorkommen, z.B. von Sand und Kies, stark belastet.
Schließlich gehört auch der Abbruch (die Entsorgung) des Gebäudes zu seinem Lebenszyklus. Obwohl die meisten von uns in ihrem alltäglichen Leben vermutlich mehr Kontakt zu Plastikmüll als zu Bauschutt haben, entsteht in Deutschland über 50 % des Abfalls im Bausektor. Laut Statistischem Bundesamt fielen beispielsweise im Jahr 2018 insgesamt 417 Mio. Tonnen Abfall an, 228 Mio. Tonnen davon waren Bau- und Abbruchabfälle.¹
Die Baubranche erzeugt dadurch gleichzeitig ein außerordentlich hohes Abfallaufkommen und einen sehr hohen Rohstoff- und Energieverbrauch – und ist damit einer der Hauptverursacher des Klimawandels.
Eigentlich liegen die Lösungen doch auf der Hand: Je mehr Bestandsgebäude wir erhalten, desto weniger Energie und Material müssen für Neubauten aufgewendet werden. Bei Neubauvorhaben könnte vorrangig auf schon vorhandene, aus Rückbau gewonnene Bauteile und Baustoffe zurückgegriffen werden – und so gebaut werden, dass das Gebäude selbst wieder zum Teil des Kreislaufes werden kann. In Deutschland bildet der Gebäudebestand laut Umweltbundesamt ein anthropogenes Materiallager von über 15 Mrd. Tonnen² - und wächst stetig weiter. Die Ansätze von Urban Mining und zirkulärem Bauen schlagen vor, die bestehenden Materialien als Ressourcen anzusehen und Bauen als Kreislauf zu verstehen.
Aktuell ist die Baubranche noch weit weg von einem konsequenten Kreislaufdenken. Viele Bauvorhaben sind vor allem an den Gewinninteressen einzelner gesellschaftlicher Gruppen ausgerichtet und stellen das Bauen mit industriell gefertigten Massenprodukten nicht in Frage. Bauabfälle werden zwar aktuell zu großen Teilen verwertet, jedoch überwiegend in Form von Downcycling.³ Von Seiten der Politik fehlen bisher Regularien und Anreize für eine Kreislaufwirtschaft im Baubereich.
Dass die Erkenntnisse der Forschung zwar da sind und weiterwachsen, aber in der Praxis kaum umgesetzt werden, muss sich ändern. Wir brauchen ein zukunftsfähiges, neues Verständnis von Material, sodass Städte und Regionen sich zukünftig stärker aus sich selbst heraus regenerieren können. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um anzufangen.
C. Ickert
¹
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Umwelt/Abfallwirtschaft/Tabellen/liste-abfallbilanz-kurzuebersicht.html² Müller, Felix, et al. Urban Mining: Ressourcenschonung im Anthropozän. Umweltbundesamt, Fachgebiet III 2.2-Ressourcenschonung, Stoffkreisläufe, Mineral-und Metallindustrie, 2017, S. 32. Online verfügbar unter:
>LINK< ³ Hillebrandt, Annette; Riegler-Floors, Pertra; Rosen, Anja (u.a.): Atlas Recycling. Gebäude als Materialressource, DETAIL 2018, S. 19.