Endlich Rückbau! ... und dann? Wie weiter? Es gibt ganz unterschiedliche Strategien für mehr Re-Use am Bau. Um die zahlreichen Facetten des zirkulären Bauens zu diskutieren und zugleich konkrete erste Schritt zu unternehmen, haben wir in Zusammenarbeit mit Uwe Kirst von der
Prof. Entwerfen & Konstruieren II (TU Dresden) einen 2-teiligen Workshop konzipiert. Gemeinsam mit 20 Architekturstudierenden ging es dafür in die Oberlausitz zur (Rück-)Baustelle der
Naturschutzstation Neschwitz auf den
Fischereihof Kleinholscha.
Der erste Vor-Ort-Besuch am 12.05.23 diente der Bestandserkundung und Erfassung vorhandener Bauprodukte mittels App. Diese wurde den Studierenden von
Concular zur Verfügung gestellt - einschließlich Einführungskurs zur Handhabung. Gemeinsam mit allen Baubeteiligten wurden Umfang und Vorgehen beim Rückbau festgelegt. Vom 31.05. bis 01.06.23 fand dann der Rückbau statt - bei bestem Wetter und inmitten einer beeindruckenden Naturkulisse! Dank des tatkräftigen Engagement der Studierenden konnten große Materialmengen (Dachziegel/-latten, Fenster, Türen, Dämmung, Stahlbauteile, Leuchten & Einbaumöbel) rückgewonnen werden. Alle gesicherten Bauprodukte verbleiben zur Nachnutzung vor Ort für kommende (Um-)Bauvorhaben der Naturschutzstation Neschwitz.
Den theoretischen Rahmen für das Projekt bildete die Frage »WIE SIEHT EIN ZIRKULÄRES BAUWESEN DER ZUKUNFT AUS?« In dem Bewusstsein, dass diese Fragestellung ein hochkomplexes Feld aufmacht und eindeutige Antworten kaum möglich sind, sahen wir bewusst von klassischer Entwurfsarbeit ab. Vielmehr stand die kreative Auseinandersetzung mit Prozessstrukturen, Regelwerken und Wertschöpfungsketten im Fokus: die Erarbeitung verschiedener Szenarien im Sinne eines "produktiven Umgang[s] mit ungewissen Zukünften"¹. Methodisch griffen wir hierfür auf eine Methode aus dem Transformationsdesign zurück, welche wir in stark vereinfachter Form umsetzten.²
Beim ersten Vor-Ort-Besuch am 12.05.23 diskutierten wir mit den Studierenden ihre mitgebachten Fragen und Gedanken zum zirkulären Bauen. Diese wurden dann gemeinsam schrittweise zu Clustern zusammengefasst, woraus wir 5 »Schlüsselparameter« ableiten konnten. Anschließend definierten die Studierenden für diese 5 Parameter folgende Extremwerte/Pole:
Planungsverständnis:
Ewiger Entwurf <> Mosaik-Entwurf
Materiallogistik:
individuell <> professionalisiert
Wandel zur Re-Use-Gesellschaft:
technokratisch <> soziokulturell
Ökonomischer Wandel »by-design-or-by-desaster«:
geplanter Re-Use <> Materialknappheit
Baunormen:
Regulierung <> Eigenverantwortung
Aus der Verschneidung von jeweils 2 Schlüsselparameter gingen 4 Rohszenarien mit Titel, kurzer Storyline und Skizze hervor. Diese Art »Bühnenbilder/Welten« wurden dann in 10 Kleingruppen ausgearbeitet und im Anschluss an den Rückbau-Workshop am 02.06.23 präsentiert. Es wurden inhaltliche bzw. visuelle Überschneidungen und Verwandtschaften in den verschiedenen Rohszenarien diskutiert. Aus der Verdichtung der Ideen und Ansätze gingen schließlich folgende 5 Szenarien hervor:
> BauFlowMarkt
> (Bau)Artenschutz
> Neue Spielregeln
> KI Denk-Mal-Um
> Organic Tetris
Die finalen 5 Zukunftsszenarien befinden sich aktuell in der Ausarbeitung und werden am 22.08. ab 15 Uhr im
COSMO Wissenschaftsforum im Kulturpalast Dresden von den Studierenden öffentlich vorgestellt. Kommt gern vorbei!
Quellen
¹ Jonas, W. (2017): Den Horizont des Denkbaren erweitern, in: 1.500 HEKTAR ZUKUNFT (ER)FINDUNG EINER NEUEN LANDSCHAFTSTYPOLOGIE DES 21. JAHRHUNDERTS, S. 41. Online verfügbar unter:
archiv.iba-thueringen.de/sites/default/files/artikel/downloads/IBA%20Campus%202017%20Kannawurf_kurz.pdf² ebd., S. 40-45.
Den Anstoß zu diesem Projekt gaben Sebastian Schöler vom Büro
Reiter Architekten und Angelika Schröter von der
Naturschutzstation Neschwitz. Wir bedanken uns für die Bereitschaft, unsere Workshops in den Bauablauf einzutakten und Re-Use in die Planungsüberlegungen zum Erweitungsneubau zu integrieren! Ebenso gilt unser Dank den Studierenden und Uwe Kirst für die Einsatzbereitschaft und gute Selbstorganisation, welche den Kern dieses Projektes bildeten. Das (Um-)Bauvorhaben auf dem Fischereihof Kleinholscha wird auf Grundlage des »Investitionsgesetzes Kohleregionen« des
Bundesministerium für Wirtschaft und Klima sowie des
Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung gefördert.